In Familien mit ADHS sind Geschwisterstreitereien und Konflikte vermehrt aufzufinden. Geschwisterkinder, die unter den AD(H)S-Verhaltensweisen leiden, benötigen oft eine besondere Zuwendung.
Impulsives, unruhiges, evtl sogar oppositionelles Verhalten nimmt der ganzen Familie viel Energie und Kraft - da kommt es in der Regel zu mehr Spannungen und Konfliktsituationen als in Familien ohne AD(H)S-Verhalten.
In der Leserkolumne "Stimmen" der Zeitschrift Brigitte (vom 26. November 2014) erzählt eine junge Frau wie die Diagnose ADHS das Leben ihres Bruders und das ihrer ganzen Familie verändert hat - am Ende zum Positiven. Dieser Bericht verdeutlicht aus der Perspektive eines Geschwisterkindes die Realität mit einem ADHS-Kind in der Familie.
Neben Familien- und Erziehungsberatung hier ein paar Tipps, die ein wenig Entlastung bringen können:
Zitat Jan, 11 Jahte alt:
"Mein Bruder (15) ist ein tolles Kind, der kann alles gut und ist viel ruhiger als ich. Ich dagegen bin ein besonderes Kind mit ADHS, dass sich ständig bewegen muss, alles viel langsamer macht und oft viel mehr Hilfe braucht als andere Kinder. Ich bin ein besonderes, tolles Kind."
1. Wenn die Eltern das AD(H)S-Verhalten akzeptieren und damit umgehen können, dann ist es auch einfacher für das Geschwisterkind.
2. Vergleichen Sie Ihre Kinder nicht offen miteinander, auch wenn Sie noch so verzweifelt über die auffällige, vielleicht deutlich verzögerte, Entwicklung sind. Jeder Mensch hat seine besonderen Stärken. Das AD(H)S-Kind fühlt sich sowieso schon viel zu oft minderwertig. Durch Verzicht auf Vergleiche können Konkurrenzgedanken unter den Kindern vermindert werden.
3. Bemühen Sie sich Aufmerksamkeit und positive Zuwendung gerecht auf Ihre Kinder zu verteilen, damit sich keiner benachteiligt fühlt. Das lässt sich allerdings nicht immer vermeiden, denn Kinder reagieren manchmal aggressiv bzw. wütend, wenn sich sich weniger beachtet oder geliebt fühlen (auch wenn das überhaupt nicht so ist!).
4. Sprechen Sie mit dem Geschwisterkind, zeigen Sie Verständnis und sagen Sie ihm wie toll er/sie das im Umgang immer wieder mit dem ADHS-Geschwisterkind macht. Sprechen Sie über die häufigen Streiterein und Ursachen.
5. Sprechen Sie wenn möglich in ruhigen Situationen am Besten mit allen Geschwisterkindern - auch dem ADHS-Kind. Hören Sie dabei in Ruhe auf die einzelnen Sichtweisen und vermeiden Sie unbedingt Schuldzuweisungen. Es geht überhaupt nicht um Schuld, sondern darum, dass jeder mit den Eigenheiten des anderen umgehen lernt, diese ein Stück weit akzeptieren kann und - ohne sie immer gleich ändern zu wollen - auch mal stehen lassen kann.
5. Bieten Sie dem nicht betroffenen Geschwisterkind(ern) Rückzugsräume, die das ADHS-Kind nicht betreten bzw. verletzen darf.
6. Bieten Sie Ihrem "Problemkind" dafür bewusst vermehrt positive Zuwendung und Aufmerksamkeit. Zum Beispiel bietet sich besonders für jüngere Kinder hierfür eine gemeinsame "Spaß & Spiel-Zeit" aus dem Buch Wackelpeter & Trotzkopf von Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl an.
7. Finden Sie immer mal wieder gemeinsame schöne Aktivitäten, an denen alle zusammen Spaß haben und sich gut fühlen.
8. Wenn Sie die Möglichkeit dazu haben, dann verbringen Sie auch mal länger Zeit jeweils nur mit einem Kind. Ob beide Eltern zusammen oder jeder Elternteil abwechslend - wie es für Ihr Familiensystem am besten passt.
9. Geben Sie beiden Kindern Raum, sich miteinander auseinander zu setzen und die Konflikte auszutragen. Manchmal finden die Kinder schnell eine eigene Lösung, wenn sich die Eltern nicht einmischen - auch wenn das Raushalten nicht immer einfach erscheint.
10. Bleiben Sie ruhig! Wenn Ihre Kinder heftig miteinander streiten, dann hilft es wenig, wenn Sie auch laut und aggressiv werden. Auch, wenn Ihnen gefühlt der Kragen platzt und Sie den Streit nicht mehr aushalten können. Suchen Sie für einen Moment Abstand zur Situation und bemühen sich um eine friedliche Konfliktlösung. Selbst wenn es bedeuten sollte, dass Sie die Streithähne klar, deutlich, aber respektvoll voneinander trennen.
Quelle: Wackelpeter & Trotzkopf von Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl
+ Erfahrungen aus fachlicher Selbsthilfegruppen-Praxis.
Tipp für eine positive Atmosphäre: Die warme "Worte-Dusche"
Beleidigungen, Vorwürfe, Eifersucht,... sind öfter schon mal Bestandteil von Geschwisterbeziehungen. Eine schöne Möglichkeit diese Muster zu durchbrechen, bietet eine "Familienkonferenz" als festes Ritual in der Woche.
Jeder verteilt in entspannter Atmosphäre (z.B. am Essenstisch, vor dem Schlafengehen oder bevor der Fernseher angemacht wird) eine "warme Worte-Dusche", d.h. Komplimente an den anderen.
Wenn auch die Eltern mitmachen, dann wird es besonders schön für die ganze Familie.
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