Infoportal für Familien mit AD(H)S oder ähnlichen Verhaltensbesonderheiten
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Mehr Freude und Gelassenheit - Es darf auch mal leicht sein

Familien mit besonders sensiblen und/oder willensstarken Kindern können schnell in eine Spirale aus Streit, Vorwürfen und schlechter Stimmung geraten. Oft schon im Kindergartenalter fällt ein hochsensibles, emotionsgesteuertes Kind mit abweichenden Verhaltensweisen auf. Es folgen schnell schräge Blicke anderer Eltern, diverse Therapien, Förderprogramme, Elterncoachings, Lehrergespräche. Gerne wird die Diagnose AD(H)S in den Raum geworfen. In Folge nehmen Krisensituationen und Verzweiflung in der Familie zu.

 

Die Stimmung ist häufig geladen, der Umgangston oft genervt, Vorwürfe und Streit herrschen vor, wobei doch eigentlich alle ein liebevolles und friedliches Miteinander wünschen.

 

Das muss nicht immer so weitergehen! Es besteht jederzeit die Möglichkeit, im Umgang miteinander bewusst einen neuen Weg einzuschlagen.

 

Das großartige ist, dass schon alleine die eigene, feste Entscheidung, bisherige Reaktionsmuster wirklich verändern zu wollen, zu Lösungen und neuen Ansätzen führt.

 

Wenn man sich einmal zu 100 Prozent für ein neues Zielbild (z.B. einem neuen Umgangston) entscheidet, dann werden sich Wege und Lösungen von alleine zeigen. Wichtig, ist daran zu glauben und die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Es kann gut sein, dass es eine gute Idee sein kann, sich auf dem Weg der Neuorientierung Hilfe zu holen. Sei es über  Weggefährten, z.B. über eine Selbsthilfegruppe, oder Hilfe von einem "Reiseleiter", z.B. ein systemisch arbeitender Familien- oder Lebenscoach. 

 

Hier sind für den Anfang schon mal einige Ideen für neue Handlungsoptionen aufgeführt. Vielleicht sind Inspirationen dabei?

 

1. Tipp: Du hast die Wahl, wie du reagieren möchtest.

Jeder (erwachsene) Mensch hat (in der Regel) die Wahl wie er bzw. sie sprechen, handeln, sein möchte. Das gilt auch für Situationen, wenn ein Kind einen (dem eigenen Gefühl nach) "ärgert", 'triggert", "stresst". (Gilt auch für Lehrer. Die haben auch die Wahl, wie sie mit Kindern sprechen möchten.)

 

Hier ein Beispiel: Mein Kind räumt schon wieder das Zimmer nicht auf, auch wenn ich das aber gerade unbedingt möchte und klar formuliere. 

 

Variante 1 - Ärger: Ich ärgere mich über das Verhalten meines Kindes..... Ich habe alles Recht der Welt wütend zu sein, habe ich doch schon oft genug meinem Kind gesagt wie wichtig mit das Aufräumen ist.  Ich werde wütend, schimpfe, bedrohe, strafe oder "winke" mit einer Belohnung. Mit viel Glück räumt mein Kind auf, aber keiner fühlt sich wirklich gut danach.

 

Variante 2 - Frieden: Ich ärgere mich über das Verhalten meines Kindes.... Stelle mich fest mit beiden Beinen auf den Boden, atme mehrere Male tief ein und aus. Was fühle ich gerade? Ah, da ist Wut und Enttäuschung in mir. Ich lasse diese negativen Gefühle nicht mein Verhalten dominieren, sondern wähle Frieden und Wertschätzung. Worum geht es hier wirklich gerade? Will ich mich wirklich ärgern?

 

Eine Möglichkeit für eine wertschätzende Reaktion wäre:

"Ich verstehe, dass du gerade keine Lust hast aufzuräumen und du lieber weiter spielen möchtest. Was hälst du davon, dass ich in 10 Minuten wiederkomme (ich stelle einen Wecker) und wir dann zusammen gucken, was du  wegräumst und was von deiner Spielzeugwelt sogar stehen bleiben kann? Mir ist wichtig, dass dein Zimmer aufgeräumt wird, damit ich dort morgen in deinem Zimmer staubsaugen kann."

 

 

2. Tipp: Sag einfach mal: Du hast Recht.

Es lässt sich herrlich, stundenlang mit ADHS-Menschen diskutieren. Da können so manche Emotionen schon mal hochkochen. Auch, wenn du vielleicht sogar Recht hast, lass es mal darauf ankommen und sage zu deinem Gegenüber ganz entspannt:

 

"Du hast Recht". Mehr nicht und sei gespannt auf die Reaktion.

 

Dieser Tipp stammt von Karin Kuschik aus dem Buch "50 Sätze, die das Leben leichter machen" und wurde direkt mal bei einem 18 jährigen, extrem diskussionsfreudigen Sohn au der Selbsthilfegruppe von familie-mit-adhs angebracht. Die Mutter bittet ihren Sohn um Hilfe bei der Müllentsorgung. Dieser hat keine Lust dazu, will lieber Computer zocken. Er versucht aus der Nummer rauszukommen, indem er anfängt über den Sinn zu diskutieren und die Aufgabe bei der Mutter zu lassen. 

 

Mama: "Würdest du bitte den Müllsack zur Mülltonne bringen?"

Sohn: "Nein, keine Lust. Das ist mir jetzt zu anstrengend und außerdem willst du den Sack doch in der Mülltonne haben."

Mama: "Du hast Recht". 

Sohn: Lächelt, blickt zugewandt und hört auf doofe Kommentare zu bringen.

Mama: Ist überrascht, denn die Situation bleibt friedlich und entspannt.

 

In dieser humorvollen Atmosphäre ließ sich nach dem kurzen Dialog für beide eine gute Lösung finden. Irgendwie war die Dramatik draußen und der Sohn hat nach einer Weile ohne zu Meckern geholfen, weil er sich ernst genommen gefühlt hat. 

 

3. Tipp: "Mai pen rai" - Einfach mal leicht nehmen

"Mai pen rai" ist eine thailändische Redewendung und heißt "Das macht nichts". Diese in Thailand häufig verwendete Redewendung gibt eine freundliche und entspannte Lebenshaltung wieder. Diese Redewendung wird ebenfalls in Karin Kuschiks Buch "50 Sätze, die das Leben leichter machen" wunderbar beschrieben.

 

Hahaha, aber wie um alles in der Welt soll man es bitte leicht nehmen, wenn mein Kind schon wieder....

  • einen Wutanfall oder
  • ein volles Saftglas umgekippt hat
  • das Marmeladenglas hat fallen lassen
  • im Winter eine kurze Hose / Kleid anziehen will
  • nicht stillsitzen kann
  • nicht aufhört zu reden
  • einfach NICHTS davon machem will, was ich aber nun mal begründet für richtig halte?

 

Wie soll man in solchen Situationen entspannt und gelassen bleiben?

 

Als erste Reaktion kann ein freundliches "Macht nichts" sehr hilfreich sein. Mit diesen zwei Worten wird einfach jede Dramatik aus der stressigen Situation genommen. Dies im eigenen Gehirn, genau wie beim Gegenüber. 

 

Kleiner Fahrplan zu mehr Gelassenheit in stressigen Momenten:

 

1. Frage stellen: Worum geht es in der jeweiligen Situation? 

2. Einatmen, ausatmen. Ruhig bleiben. Gefühle wie z.B. Ärger oder Wut tatsächlich für einen Augenblick aushalten. Nicht reagieren, sondern akzeptieren. Die Gefühle lassen irgendwann nach, versprochen.

3. Wählen: Ärger und Wut rauslassen oder aber bevorzugt: gelassen bleiben.

4. Nächste Frage: Wie kann es leicht gehen, die Situation gelassen zu bewältigen?

5. Antwortmöglichkeiten: "Macht nichts" (einfach gut in allen Situationen mit kleinen Unfällen) oder "Wir packen eine lange Hose als Ersatz ein" oder mit Humor und Dankbarkeit "Danke, dass du so toll reden kannst und uns unterhälst, jetzt darf Papa einmal etwas erzählen."......

6. In entspannden Situationen üben, um in stressigen Situationen in der Lage zu sein, mit Leichtigkeit, Humor oder Gelassenheit reagieren zu können.

 

 

4. Tipp: Ich habe da eine Vision. Magst du die mit mir mitgehen?

Neulichst wollte ein Badezimmerregal aufgebaut werden. Nichts Großes, aber gefühlte 1000 Schrauben und eine unfassbar schlecht leserliche Anleitung. 

 

Mama: "Sohn, könntest du mir bitte helfen den Schrank aufzubauen. Ich kann das nicht alleine."

 

Sohn: "Wenn es sein muss". Er kniet demotiviert neben den Teilen, schraubt mehr schlecht auf recht irgendwelche Teile irgendwo rein.

 

Mama: "Bitte guck auf die Anleitung und bereite den Schritt 3 vor."

 

Sohn: "Was willst du denn? Ist doch total einfach, steht hier doch alles in der Anleitung. Was ist dein Problem?"

 

Mama: "Hä? Du kannst also bitte anfangen und die Teile für Schritt 3  zusammen zu suchen."

 

Sohn: Starrt weiter nur auf die Anleitung, bewegt sich aber nicht. "Ist ja wohl total einfach. Das wirst du jawohl eben machen können."

 

Mama: Reißt dem Sohn die Anleitung aus der Hand. "Dann mache ich es eben selber...." Sie kocht innerlich und der Tonfall wird genervt.

 

Stopp!  Spätestens hier lohnt sich eine neue Strategie.

 

Mama: Atmet durch. "Du, ich habe ein Bild vor Augen. Ich sehe den Schrank fertig vor mir in unserem Bad stehen und wir haben den gerade zusammen aufgebaut. Magst du diese Vision mitgehen?"

 

Sohn: Nimmt Anleitung und Schraubendreher und fängt konzentriert an, den Schrank fertig aufzubauen.

 

Ergebnis: Schrank ist fertig aufgebaut und alle sind happy.

 

Wie oft ärgern wir uns über jemand anderen? Es ist ein Versuch Wert, eine Vision zu formulieren und den anderen zu fragen, ob dieser mitgehen möchte. 

 

Achtung Warnhinweis Es kann sein, dass das Gegenüber erst einmal nein sagt oder sogar niemals die Vision miterreichen möchte. Das ist ein Risiko, das unbedingt gesehen und akzeptiert werden will. Denn jeder Mensch hat grundsätzlich eigene Bedürfnisse und Zielvorstellungen.

 

Der Tipp "Ich habe eine Vision, möchtest du diese mitgehen?" stammt von Laura Malina Seiler in ihrer Masterclass aus August 2022 zum Beziehungskurs "Heart Wide Open".

 

Viel Spaß beim kreativen Ausprobieren!

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