Die digitale Medienwelt gehört zur heutigen Freizeitgestaltung der Kinder unweigerlich dazu.
Ob man will oder nicht.
Erwachsene oder Kinder, fast alle in der Familie nutzen täglich digitale Medien. Ob zur Kommunikation, Arbeit, Informationssuche, Alltagserleichterung oder Freizeitgestaltung. Fernsehen, Internet, Computer, Smartphone, Tablet, Nintendo, Smartapps oder Playstation: Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Laut der "JIM-Studie 2018: Jugend, Information, Medien" waren schon im Jahr 2018 98% der deutschen Haushalte alleine mit Fernseher und 99% mit Smartphone ausgestattet.
Kinder mit ADHS-Syndrom scheinen anfällig für extremen Medienkonsum zu sein.
Diese Kinder, die sich oft kaum konzentrieren können, die ungern ein Buch lesen oder in Ruhe alleine spielen, sind überraschenderweise über längere Zeit hochkonzentriert mit beispielsweise dem Computer oder der Spielkonsole beschäftigt. Sie schaffen es darüber, komplexe Aufgaben zu bearbeiten oder einfach zur Ruhe zu kommen.
Ausgeprägter Medienkonsum kann zu ordentlich Stress in der Familie führen. Denn es fragen sich doch sicherlich fast alle Eltern immer mal wieder: Was ist der richtig Weg? Darf das Kind viel Zeit mit dem digitalen Medium verbringen, wenn es über den Weg schafft, sich zu konzentrieren und über längere Zeit ruhig beschäftigt ist?
Die digitale Welt scheint für Kinder mit ADS/ADHS besonders attraktiv zu sein, da
Dies kann für Kind und Familie eine wertvolle Erfahrung sein. Es kann wohl sogar gesagt werden, dass viele dieser Kinder ein besonderes Verständnis für technische Zusammenhänge sowie auffallend ausgeprägte Fähigkeiten und Ausdauer bei der Nutzung aufweisen.
Dr. Peter Melcher, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiologie, Klinikum Oberberg begründete die Affinität von ADHS-Kindern zu den Medien auf einem Fachtag der Richard-Schirrmann-Schule in Hennef (am 26. Januar 2018) damit, dass das Gehirn eines ADHS-Kindes sehr viele Reize auf einmal aufnimmt und sofort auf alles um sich herum reagieren kann. Bei der Nutzung von Medien passieren mehrere Abläufe im Grunde gleichzeitig oder in sehr kurzen Abständen abwechselnd: Bilder, Töne, Reaktionen auf Handlungen des Kindes,... Die vielen Reize, Reaktionen und Handlungen scheinen das Gehirn eines ADHS-Kindes so zu stimulieren, dass es sich deutlich besser als bei anderen Aufgaben konzentrieren und bei der Sache bleiben kann. Schließlich wird das Kind andauernd belohnt, da es auf alle Reize reagieren, eine Anweisung an das Gerät geben und sofort Reaktionen - bestenfalls Erfolge - verzeichnen kann.
Diese positiven Erlebnisse können natürlich schnell dazu führen, dass das Kind häufig nach Medienzeit verlangt und Eltern (verständlicherweise) sehr dankbar über die Ruhe während dieser Zeit sind.
An allen möglichen Stellen werden Eltern mit hyperaktiven und konzentrations-schwachen Kindern darauf aufmerksam gemacht, dass die Nutzung der modernen Medien zu Reizüberflutung und Konzentrationsstörungen führt. Dass die modernen Medien eine Ursache für ADHS sein können. Sicher kann gesagt werden, dass ein übermässiger Medienkonsum schädlich für jedes Kind und Jugendlichen ist. Abhängigkeit von den Medien, Bewegungsmangel, Reizüberflutung oder Störung im Sozialverhalten können bei ungebremsten Medienkonsum auftreten oder sogar auch zur Mediensucht führen. Über das Thema "ADHS und Mediensucht" hat "die Welt" einen Online-Artikel veröffentlicht.
Die Mediennutzung ganz zu verbieten ist sicherlich keine Lösung. Eher empfehlenswert ist es,
Therapietipp:
Die besondere Ausdauer und Fähigkeiten im Umgang mit Medien könnte für manche Kinder beim Einsatz von Neurofeedback zur Behandlung von ADHS hilfreich sein
Die Familienbloggerin Birgit Strohmeier von muttis-blog.net hat im Rahmen der Studie "Die digitale Familie" folgende These veröffentlicht:
"Mit der digitalen Mediennutzung ist auch viel Positives verbunden. Ich bin zum Beispiel immer ganz platt, welche Schaltungen und Steuerungen mein Sohn mit Redstone in Minecraft baut. Die Anregungen holt er sich aus YouTube und baut dann automatisierte Straßenbahnen und Maschinen. Das ist Know-how für die Zukunft, das sich spielerisch angeeignet wird. Daher ist meine Devise: lieber mehr erlauben, sich dafür interessieren, zuhören und staunen!“
Birgit Strohmeier von muttis-blog.net
Es ist also unausweichlich, sich mit Medienerziehung auseinander zu setzen, dabei Vorteile und Nachteile mit Blick auf das Kind gegeneinander abzuwägen.
Umgang mit Mediennutzung - Tipps für Vereinbarungen
Es ist sehr empfehlenswert, bereits frühzeitig klare Regeln bezüglich des Medienkonsums aufzustellen und diese auch einzuhalten. Hilfreich sein können:
Als hilfreich kann sich ein Vertrag zwischen Kind und Eltern erweisen. In diesem kann z.B. die tägliche Medienzeit vereinbart werden, dies unter Berücksichtung von den täglichen Schulanforderungen oder der Wochenendgestaltung, geplanten Freizeitaktivitäten, Wunsch-Fernsehprogramm,... Die Kinder sind oft in der Lage, die Vereinbarung über den Medienkonsum selber zu formulieren.
Vorbildfunktion Eltern
Wenn auch Eltern als Vorbilder für ihre Kinder immer wieder ihren Medienkonsum hinterfragen, dann ist das bestimmt förderlich. Vereinbarungen können dann viel leichter von den Kindern akzeptiert werden.
Familienwegweiser: Mediennutzung - Das richtige Maß im Alltag
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend liefert eine gute Hilfestellung, um das richtige Maß an Mediennutzung im Alltag zu finden.
Doch Ausnahmen bestätigen gerne mal die Regel, denn wenn die Medienzeit einem hyperaktiven Kind hilft zur Ruhe zu kommen, Stresssituationen in der Familie entlastet werden oder Medien bei der Lernförderung unterstützend eingesetzt werden können, dann kann dieser Blickwinkel sicherlich auch bei der Festlegung der Vereinbarungen berücksichtigt werden.
Aber eben alles in Maßen.
Tipp: Kinderschutzsoftware / -App
In den PlayStores finden sich diverse Apps, über die man sich mit dem Gerät (Tablet, Smartphone) des Kindes verbinden kann. Es lassen sich u.a. Nutzerzeiten festlegen und die am Gerät verbrachten Zeiten nachvollziehen. Apps kontrollieren, beschränken oder freigeben. Total praktisch und reduziert das Diskussionspotential erheblich. Auf www.familie-mit-adhs.de werden keine Empfehlungen abgegeben, diese kann man im Internet nachlesen.
Gut zu wissen: Wenn man erst einmal das Gerät ohne Schutz-App dem Kind freigegeben hat, dann wird es im Nachhinein schwieriger die Kindersicherung zu argumentieren. Am besten so früh wie möglich Zeitbegrenzungen festlegen, besprechen und zum Selbstverständnis erklären.
Quelle der Grafiken:
Studie: "Digitale Familie - Wie verändern Smartphone & Co. das Familienleben?"
Herausgeber: kartenmacherei.de. Anbieter von personalisierbaren Einladungs- und Dankeskarten im Internet.