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Inklusion von Kindern mit ADHS

In NRW ist das Thema Inklusion im Mai 2017 zum großen Wahlkampfthema im Rahmen der Landtagswahlen geworden. Doch nicht nur in NRW, sondern wohl überall in Deutschland, wird regelmäßig schulpolitisch überlegt, wie gemeinsames Lernen für Kinder mit besonders hohem Förder- und Unterstützungsbedarf erfolgreich (und möglichst kostengünstig) umsetzbar ist.

 

Die Hebo-Schule Bonn hat zu dem Thema einen Newsletter mit einem Beitrag von Prof. Dr. h.c. Biegert herausgegeben, der die Bedürfnisse von expansiven und oppositionellen Kindern ausführlich eingeht. In Folge ein Ausschnitt des Beitrags.

 

 

Dieser liefert hilfreiche Aspekte für die Schulwahl und auch Argumente für Lehrergespräche zum Umgang mit ADS/ADHS in der Schule:

 

"Eine ganz besondere Herausforderung stellen Kinder mit expansivem, oppositionellem Problemverhalten dar.

  • Sie sind oft unkonzentriert: Passen nicht auf, wissen nicht, wo man gerade dran ist, übersehen häufig wichtige Details in Aufgabenstellungen, können ihre Aufmerksamkeit nicht aufrecht erhalten

 

  • Sie sind oft unkontrolliert: Können nicht abwarten, rufen rein bevor eine Frage zu Ende gestellt ist, reagieren oft übermäßig und laut, sind schnell entmutigt, kontrollieren nicht, was sie zu Papier bringen

 

  • Sie sind ständig in Bewegung und erzeugen eine permanente Unruhe"

 

Anmerkung von Familie-mit-ADHS: Das tun sie in der Regel nicht mit böser Absicht.  Sie wissen oft keinen anderen Weg und können sich oft nicht steuern. Diese Kinder benötigen einen besonderen Rahmen, um schulisch integriert werden zu können.

 

"Schüler mit derartigen Herausforderungen ohne individuelles Konzept zu inkludieren ist in den allermeisten Fällen schlicht nicht möglich.

 

Sie sind insbesondere mit den Mitteln des offenen Unterrichts (Freiarbeit, Wochenplanarbeit, Gruppenarbeit, selbstorganisiertes Lernen) regelmäßig kaum und gleich gar nicht über 45 Minuten „ didaktisch“ zu „bändigen“. Nicht wenige

„Inklusionspropheten“ erwecken jedoch den Eindruck, als könne man auch solche Kinder, ohne wesentlichen Mehraufwand und ohne weiteres in Regelklassen integrieren. Dem widerspricht die schulpädagogische Praxiserfahrung an der Basis in den Schulen, aber ebenso auch der diesbezügliche Stand der Unterrichtsforschung, nämlich:

  1. In den Familien dieser Kinder liegen häufig die „Nerven blank“, denn:

Im Zentrum des täglichen häuslichen Erziehungsstresses steht die schulische Vor- und Nachbereitung. Die Folge: den Eltern derartiger Kinder ist nur eine begrenzte außerschulische Mitwirkung und Unterstützung möglich.

  1. Diese Kinder machen unter Gleichaltrigen ein hohes Maß an negativen Sozialintegrationserfahrungen, ihr Setting in der Klassen“gemeinschaft“ ist überwiegend von Ausgrenzung bis hin zu Isolation und Mobbing geprägt. Folge:

Nicht wenige dieser Kinder überkompensieren ihre Ausgrenzungserfahrungen durch eine Verstärkung ihres expansiv-oppositionellen Verhaltens.

  1. Ihre schulischen Leistungen und ihr schulischer Werdegang spiegelt sehr häufig nicht annähernd ihr kognitives und intellektuelles Potential. Folge:

Sie schneiden trotz nachgewiesener guter, sehr häufig sogar überdurchschnittlicher Begabung in ihrer schulischen Entwicklung desaströs ab, ihre kognitiven Leistungen entsprechen nicht annähernd ihrem intellektuellen Potential.

  1. Und noch etwas, was uns, zumindest uns Lehrerinnen und Lehrer aufhorchen lassen sollte: Das Robert-Koch-Institut in Berlin veröffentlichte unlängst, dass bereits jetzt 20% aller Kinder im Schulalter psychisch auffälliges Verhalten – wie oben beschreiben – zeigen und ihre Anzahl wird bis 2020 auf 30% (ein Drittel aller Kinder in jeder Klasse) ansteigen.

 

Was bedeutet dies alles für die Konzepte eines gemeinsamen Unterrichts / der Inklusion mit eben solchen Kindern?

 

Inklusion ja! Dies ist auch unsere Erfahrung – aber nicht konzeptlos:

  1. In meinen Vorträgen, Seminaren und Lehrerfortbildungen zeigt sich: auch Kinder mit expansivem Problemverhalten können gemeinsam mit anderen unterrichtet werden, aber nicht in Klassengrößen mit 30, sondern wie unsere seit 38 Jahren hierzu ausgesprochen positiven Schul- und Unterrichtserfahrungen belegen, in Klassenstärken mit 13 statt 30 Schülerinnen und Schülern
  2. Gleichzeitige Entlastung der Elternhäuser durch wirkliche Ganztagsbetreuung mit schulinterner Vor- und Nachbereitung (Silentien), der Aufarbeitung von Lernlücken und Leistungsrückständen in Förderkursen und Ferienförderunterrichten, die regelmäßige Spiegelung von Lern-, Leistungs- und Verhaltensentwicklung durch Wochenberichte, Verhaltensbögen und durch Zwischenzeugnisse in 6-7 wöchentlichen Abständen.
  3. Keine Priorisierung von offenen Unterrichtsformen, denn die aufgezeigten Regulations- / Selbststeuerungs-Defizite in Aufmerksamkeitslenkung und Impulskontrolle bedürfen einer individuellen, in der Regel lehrerzentrierten fremd- statt selbstinstruktionsorientierten Führung.
  4. Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes, also des inneren Bildes des Kindes von eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen durch ganz bewusst praktizierte positive Lehrer-Schüler-Beziehung, durch positive Erwartungshaltung, Akzeptanz, Einfühlungsvermögen und Geduld, den festen Glauben des Lehrers und der Lehrerin an die Möglichkeiten des Kindes.

Eine unserer pädagogischen Kernüberzeugungen aus diesem Erkenntnisstand lässt sich wie folgt beschreiben:

 

  • Das Verhalten, die Lern- und Leistungsdisposition eines Schülers ist immer auch Projektion der Lern- und Leistungsbedingungen sowie der Beziehungserfahrungen des Kindes.
  • Nicht das Verhalten, nicht die Lern- und Leistungssituation des Kindes ist das Problem, sondern wie wir in unserer schulischen Praxis genau damit umgehen (können)!"

 

Den vollständigen Beitrag finden Sie hier.

 

Persönliche Ansicht von "Familie-mit-ADHS": Solange Kinder mit besonders hohem Förderbedarf z.B. im sozial/emotionalen Bereich nur in Ausnahmefällen an einer allgemeinden Regelschule erfolgreich integriert werden können, ist die Beibehaltung von Förderschulen als verlässlicher Teil des Schulsystems notwendig und wichtig. Spezielle Förderschulen können ADHS-Kindern den Rahmen geben, den sie benötigen und der ihnen unter Umständen leichter schulische Erfolge und soziale Integration ermöglichen kann. Es kann sich bei ausgeprägten schulischen Problemen lohnen, eine Förderschule z.B. für Emotionale und soziale Entwicklung in Betracht zu ziehen.

 

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