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Medikamente bei ADHS

AD(H)S-Verhalten kann in den unterschiedlichsten Ausprägungen und bei jedem Kind ganz anders auftreten.

 

Ob und welche Therapie hilfreich für das betroffene Kind und seine Familie sein kann, dass lässt sich nicht pauschal sagen.

 

Da AD(H)S nicht einfach wie ein Schnupfen zu behandeln ist, sondern die auftretenden Verhaltensstörungen in der Regel aufgrund diverser, vielschichtiger Ursachen entstehen, hängt eine Therapieentscheidung im Grunde erst einmal von folgenden Faktoren ab:

  • Leidensdruck des Kindes (und der Familie),
  • dem Selbstwertgefühl,
  • der Sozialkompetenz,
  • der schulischen Leistungsfähigkeit
  • oder auch der Steuerungsfähigkeit des Kindes.

 

Alle bisherigen Maßnahmen bringen keine Entlastung in den Alltag - was nun?

 

Trotz bestem Willen, den Alltag mit therapeutischer Unterstützung, Erziehungsberatung und/oder Anpassung der Lebensgewohnheiten in den Griff zu bekommen kann es sein, dass früher oder später die Probleme und Sorgen überhandnehmen und sich die Frage nach einer medikamentösen Behandlung gestellt wird. 

 

Wenn die Not in der Familie - und vor allem bei dem betroffenen Kind mit den ADHS/ADS-Verhaltensweisen - also so groß geworden ist, dass alle bisherigen Maßnahmen nicht mehr ausreichen, dann kann es ggf. ein richtiger Schritt sein, sich mit dem Thema "Medikamente" auseinanderzusetzen. Eine medikamentöse Therapie ist, wenn überhaupt, nur bei Kindern mit einer diagnostizierten hyperkinetischen Störung angeraten. Dieser Weg sollte nur mit enger Begleitung von einem ausgebildeten Kinder- und Jugend Psychiater oder fachkompeteten Arzt gegangen werden.

 

Sich für die Gabe von Psychopharmaka zu entscheiden - damit die Stoffwechselvorgänge im Gehirn positiv beeinflusst werden - das ist ein Schritt der gut überlegt werden sollte. Ist dann doch nach ausführlicher Diagnose und ärztlicher Beratung die Entscheidung pro Medikament getroffen worden, dann müssen Eltern eines AD(H)S-Kindes kein schlechtes Gewissen haben. Schließlich geht es am Ende darum, dem Kind zu helfen und damit einen sehr belastenden Teufelskreis zu durchbrechen.

 

Das Infoportal "Familie-mit-ADHS" möchte bei der Auseinandersetzung mit einer medikamentösen Behandlung von AD(H)S Orientierungshilfe bieten.

 

Dazu werden im Folgenden die hier aufgeführten Fragen behandelt:

 

  • Frage 1: "Welche Medikamente werden eingesetzt?"
  • Frage 2: "Wie wirken Medikamente bei AD(H)S?"
  • Frage 3: "Sind Medikamente eine Lösung?"
  • Frage 4: "Kann ich Medikamente bei ADHS überhaupt verantworten?"
  • Frage 5: "Ist eine medikamentöse Therapie gefährlich?"
  • Frage 6: "Gibt es hoömopathische Medikamente bei ADHS?"
  • Frage 7: "Hilft eine Diät oder Nahrungsergänzungsmittel?"
  • Frage 8: "An wen kann ich mich mit meinen Fragen wenden?"
  • Frage 9: "Welcher Arzt würde unsere Familie bei der Medikamentengabe verlässlich begleiten?"
  • Frage 10: "Ist es sinnvoll die Medikation zwischendurch auszusetzen?"
  • Frage 11: "Was kann ich als Familie noch tun, um meinem Kind zu helfen?
  • Frage 12: "Was muss ich vor einer Reise ins Ausland beachten?"

 

An dieser Stelle werden zwar auch Medikamente genannt, aber hauptsächlich auf bestehende Informationsquellen verwiesen. "Familie-mit-ADHS" kann und wird keine Beratung oder Empfehlung zu Medikamenten abgeben. Dafür stehen z.B. ausgebildete Kinderärzte oder Kinder- /Jugendpsychiater zur Verfügung.

Frage 1: "Welche Medikamente werden eingesetzt?"

 

Zur Behandlung von AD(H)S sind in Deutschland diese Wirkstoffe zugelassen:

  • Das Amphetamin-Derivat "Methylphenidat" (Handelsnamen beispielsweise Medikinet®, Concerta®, Ritalin®, Kinecteen®)
  • "Atomoxetin" (Handelsname Strattera®)
  • "Dexamphetamin" (Handelsname Attentin®)
  • "Lisdexamfetamin" (Handelsname Elvanse®)
  • "Guanfacin" (Handelsname Intuniv®)

Quelle: adhspedia.de/wiki/Medikamente und www.gesundheitsinformation.de

 

Methylphenidat:

Der bekannteste, am längsten beobachtete und am häufigsten eingesetzte Wirkstoff ist Methylphenidat. Bei einer mangelhaften Zufuhr wichtiger Botenstoffe/Neurotransmitter wie z.B. Dopamin, hilft Methylphenidat diesen Botenstoff in ausreichender Menge in das Gehirn des AD(H)S-Kindes zu transportieren. Laut Aussage von Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl in "Wackelpeter & Trotzkopf" "liegt der Anteil der Schulkinder mit hyperkinetischen Störungen, deren Verhalten sich infolge der medikamentösen Behandlung im Unterricht normalisiert, bei 50 % bis 70 %". Besonders die Konzentrationsfähigkeit und die Impulssteuerung scheint durch die Wirkung der Medikamente positiv beeinflusst zu werden.

 

Wichtig zu verstehen ist, dass nicht jedes Kind gleich reagiert und profitiert. Möglicherweise benötigt es eine längere Zeit, um unter ärztlicher Begleitung den richtigen Wirkstoff und Dosierung herauszufinden. Zum Beispiel setzt sich das "normale" Methylphenidat schneller im Körper frei und scheint im Verhältnis zu anderen Präparaten, schneller eine spürbare Wirkung zu erzielen. Allerdings ist die Wirkdauer im Durschschnitt auf drei bis vier Stunden begrenzt. Sogenannte "Retard-Präparate", wie z.B. Medikinet retard® oder Ritalin LA® (Handelsnamen), haben eine andere Zusammensetzung und in der Regel eine längere Wirkdauer. Allerdings scheint eine sichtbar hilfreiche Wirkung nicht unbedingt bei jedem Kind einzutreten, auch wenn dies bereits positiv auf ein "normales" Methylphenidat-Präparat reagiert hat.

 

Das Medikament "Methylphenidat AL" ist eine weitere Variante, bei der der Wirkstoff im Körper in zwei Phasen freigesetzt wird. Die Hartkapseln haben eine veränderte Wirkstofffreisetzung und können eine Alternative zu Methylphenidat "normal" und auch "Retard" sein. Die tatsächliche Entscheidung über den Wirkstoff wird immer zusammen mit Arzt*in getroffen.

 

Straterra®

Bei dem Medikament "Straterra®" muss eine Behandlung sogar über mehrere Wochen erfolgen, bis überhaupt eine positive Wirkung eintritt.

 

Elvanse®

Das seit 2013 in Deutschland zugelassene Medikament "Elvanse®" mit dem Wirkstoff "Lisdexamfetamin" hat eine Wirkungsdauer von bis zu 13 Stunden. "Elvanse®" ist ein hochwirksames Medikament, das im Vergleich zu Methylphenidat langsamer im Körper aufgenommen wird, dafür aber deutlich länger wirkt. Dies Medikament darf aber in der Regel erst dann verordnet werden, wenn eine vorherige Behandlung mit Methylphenidat ohne starke Nebenwirkungen erfolgt ist, aber die Wirkung von Methylphenidat als klinisch unzureichend eingestuft wurde. Auch bei Elvanse können Nebenwirkungen auftreten. Dies können unter anderem Einschlafschwierigkeiten, Appetitverringerung oder zeitweise höhere Impulsivität sein. Attentin® ist die kurzwirksame Variante.

Quelle: www.krankenpflege-journal.com/

 

Intuniv®

Der Wirkstoff Guanfacin (Handelname Intuniv®) ist seit 2016 für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS in Deutschland zugelassen. Das Medikament kann bei Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 17 Jahren nur dann eingesetzt werden, wenn andere Mittel wie Methylphenidat nicht vertragen werden oder nur unzureichend wirksam sind. Für Erwachsene ist Intuniv nicht geeignet, da es bislang nur unzureichende Daten über Sicherheit und Wirksamkeit gibt. Guanfacin fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz.

Quelle: Guanfacin - Anwendung, Wirkung, Nebenwirkungen | Gelbe Liste (gelbe-liste.de)

 

Eine individuelle, gut begleitete, Austestung ist unbedingt notwendig, um für jedes AD(H)S-Kind das passende Medikament zu finden.

 

Nähere, gut verständliche Informationen zu Wirkung und Einsatz finden Sie z.B. auf www.gesundheitsinformation.de.

 

Frage 2: "Wie wirken Medikamente bei AD(H)S?"

 

Die Forschung hat herausgefunden, dass die Medikamente den gestörten Hirnstoffwechsel positiv beeinflussen können. Vor allem Botenstoffe (Neurotransmitter) wie Dopamin und Noradrenalin, scheinen für das Kind mit Hilfe spezieller Medikamente im Gehirn besser gesteuert zu werden. Es wird vermutet, dass bestimmte Botenstoffe bei der Entstehung von AD(H)S eine entscheidene Rolle spielen (siehe auch Ursachen).

 

Doch Achtung: Es kann sein, dass es relativ lange dauert bis das richtige Medikament und die richtige Dosierung gefunden wird. Stoffwechselabläufe und Reizverarbeitungsprozesse sind bei jedem Menschen individuell, unterschiedlich ausgeprägt. Darum gibt es auch keine pauschale Empfehlung über Medikament und Dosierung. Es ist wichtig, genau auf die Wirkung zu gucken und eng einen Facharzt/Therapeuten während der medikamentösen Therapie einzubinden.

 

Es ist auch möglich, dass die Ursache für das AD(H)S-typische Verhalten nicht an einer Botenstoffstörung im Gehirn liegt, sondern ganz andere Ursachen hat (z.B. Lern- störung, Überforderung, Nahrungsmittelunverträglichkeit) und eine medikamentöse Behandlung in dem Fall nicht angeraten und hilfreich ist.

 

Frage 3: "Sind Medikamente eine Lösung?"

 

Im Juni 2018 wurde die überarbeitete Leitlinie „Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes-, Jugend und Erwachsenenalter“ veröffentlicht. Die Leitlinie soll in Prävention, Diagnostik und Behandlung bei ADHS im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenalter eingesetzt werden. Sie richtet sich an alle Versorgungseinrichtungen und Berufsgruppen, die Menschen mit psychischen Störungen oder speziellem Förderbedarf diagnostizieren, eine Therapie für Personen mit ADHS anbieten oder diese beraten. Die Empfehlungen der Leitlinie betonen die Notwendigkeit der Diagnostik und Behandlung durch Experten. Sie sollen eine sichere Diagnosestellung und Abgrenzung zu anderen Störungsbildern ermöglichen. Aufgrund langjähriger praktischer Erkenntnisse kommen die Experten zwar zu der Ansicht, dass - mindestens bei schwerer Ausprägung der Symptomatik im Kinder- und Jugendalter - eine medikamentöse Behandlung grundlegend für einen Therapieerfolg zu sein scheint, aber sehr deutlich wird auch auf die Notwendigkeit ergänzender therapeutischer Maßnahmen hingewiesen. 

 

Auszug aus der ADHS-Leitlinie Kapitel 1.4: "Bei der Indikationsstellung zur Pharmakotherapie sollten unterschiedliche Faktoren mit einfließen bzw. Berücksichtigung finden, unter anderem das Alter des Patienten, der Schweregrad der Symptomatik und die daraus resultierende Schwere der Beeinträchtigung in verschiedenen Lebensbereichen, die Präferenzen der Familie und des Patienten sowie die Wirksamkeit von im Vorfeld bereits eingeleiteten psychosozialen (einschließlich psychotherapeutischen) Interventionen."

 

Die Frage, ob Medikamente hilfreich sein können, sollte immer nur in enger Absprache und gesicherter Diagnose von einem wirklich erfahrenen Kinderarzt bzw. einem Facharzt für Kinder- / Jugendpsychiatrie beantwortet werden.

 

Es wird von Experten empfohlen, langfristig anhaltende Verhaltensstörungen abklären zu lassen und sich im Fall von stark ausgeprägten ADS/ADHS-Symptomen frühestens ab einem Alter von sechs Jahren über eine Medikamententherapie dann beraten zu lassen wenn,...

  • ...über eine lange Phase sehr ausgeprägte Verhaltensauffälligkeiten vorliegen, wie beispielweise stark mangelnde Konzentrationsfähigkeit, fehlendes Sozialverhalten, ausgeprägte Wahrnehmungsstörungen, lang anhaltendes impulsives und oppositionelles Verhalten;
  • ...dieses Verhalten über lange Dauer das Familienleben, den Schulalltag und das Sozialleben mit Freunden übermäßig beanspruchen;
  • ...das Kind trotz aller Bemühungen aus eigener Kraft keine Chance hat, aus der negativen Verhaltensspirale herauszukommen;
  • ...im Rahmen einer Verhaltenstherapie die ADHS-Symptomatik sich nicht hinreichend verbessern lässt und beeinträchtigende ADHS-Symptome weiterhin bestehen.

Quelle: http://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org

 

Frage 4: "Sind Medikamente überhaupt zu verantworten?"

 

So schwer der Schritt auch ist, seinem Kind Psychopharmaka verabreichen (zu müssen), manche Medikamente können ADHS-Kindern (und damit deren Familie) tatsächlich helfen, deutlich besser durch den Alltag zu kommen. Ein gut ausgebildeter Facharzt kann in der Regel richtig beurteilen, ob und welche Medikation angebracht und sinnvoll sein kann. Es besteht auch immer die Möglichkeit, bei Unsicherheit eine zweite medizinische Meinung einzuholen.

 

Liegt eine schwere Beeinträchtung und sehr starke Ausprägung der ADHS-Symptomatik vor, dann wird neben der wichtigen Elternberatung und psychosozialer Intervention die medikamentöse Behandlung als therapeutische Maßnahme medizinisch empfohlen.

Dies immer unter der Voraussetzung, dass

  • eine Wirksamkeit zu erkennen ist und
  • keine untragbaren, starken Nebenwirkungen auftreten.

In der aktuellen medizinischen Leitlinie für ADHS wird empfohlen, nicht vor dem sechsten Lebensjahr mit einer Medikation zu beginnen (Quellen: Medizinische Leitlinie ADHS oder www.adhspedia.de/wiki/Methylphenidat).

 

Niemand muss ein schlechtes Gewissen haben, eine Medikation auszuprobieren solange...

  • ...die Verhaltensschwierigkeiten langfristig das Kind hindern, den Alltag mit der Familie, in Schule und im sozialem Kontext meistern zu können;
  • ...keine anderen therapeutischen/erzieherischen Maßnahme dem Kind ausreichend helfen können;
  • ...die Familie eng vom Facharzt/Therapeuten betreut und zu den Medikamenten, Dosierung und Nebenwirkung mit ganzheitlichem Blick auf das Kind beraten wird;
  • ...die Diagnose vernünftig gestellt wird;
  • ...eine Dosierung langsam und betreut eingestellt wird;
  • ...das Kind eine postive Unterstützung erfährt und nicht etwa stark negativ auf die Medikamente reagiert.

 

Frage 5: "Ist eine medikamentöse Therapie gefährlich?"

 

Methylphenidat wird seit rund 60 Jahren bei ADHS verwendet. Die Medikamente bauen laut einem Interview von t-online.de mit Herrn Klaus Skrodzki (stellvertretender Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft ADHS beim Verband der Kinder- und Jugendärzte) keinen Wirkspiegel im Blut auf und werden relativ schnell verstoffwechselt. In dem Online-Artikel zum Interview "Ritalin nicht einfach absetzen" wird ausgesagt, dass Methylphenidat kein Beruhigungsmittel ist, sondern hilft, Kontrollzentren im Gehirn zu aktivieren, so dass einem ADHS-Kind situationsangepasstes Verhalten ermöglicht werden kann.

 

In den medizinischen Leitlinien für ADHS wird die medikamentöse Behandlung bei sehr schwerer Ausprägung und Beeinträchtigung neben der Elternberatung und psychosozialen Intervention empfohlen. Dies immer unter der Voraussetzung, dass eine klinische Wirksamkeit und Verträglichkeit - ohne untolerablen Nebenwirkungen - vorliegt.

 

Die "Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte (AG ADHS)" beantwortet die Frage nach der Gefährlichkeit von Methylphenidat folgendermaßen:

"Nach sorgfältiger Diagnosestellung und genauer Aufklärung der Eltern, Betreuenden ist die medikamentöse Therapie zuverlässig, sicher, wirksam und ungefährlich. Die Nebenwirkungen sind bei richtiger Dosierung gering und bei der Schwere der Störung zu vernachlässigen. Langzeitnebenwirkungen oder Abhängigkeit sind nicht bekannt. Eindeutig konnte in einer großen amerikanischen Untersuchung (MTA-Studie) gezeigt werden, dass die medikamentöse Therapie mit Stimulanzien die wirksamste Behandlung ist, sowohl für die Besserung der Kernsymptome bei ADHS als auch zur Vorbeugung und Verhinderung von Unfällen, von Sucht und Kriminalität. Die besten Erfolge erzielt eine medikamentöse Therapie, wenn sie in ein Gesamtbehandlungskonzept eingebettet ist."

 

Eine Langzeitbehandlung scheint, zumindest nach heutigem Stand, mit Methylphenidat möglich zu sein. "Die Dauer der Therapie ist abhängig vom Ausmaß der Störung und dem Entwicklungsgang des Kindes und Jugendlichen. Bei guter Unterstützung und günstigem Verlauf kommt ein Teil der Betroffenen später ohne eine weitere medizinische Hilfe aus."

 

Auch wenn vor allem der Wirkstoff "Methylphenidat" bereits lange eingesetzt wird und als grundsätzlich ungefährlich eingestuft wird, sind Nebenwirkungen nicht auszuschließen. Besonders häufig scheinen Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Wachstums-verzögerung, Tics, Einschlafschwierigkeiten und Schlafstörungen aufzutreten. Auch ist häufig ein sogenannter "Rebound-Effekt" zu beobachten. Das bedeutet, dass nach Ablauf der Wirkdauer die schwierigen Verhaltensweisen wie z.B. Impulsivität, Lautstärke, Aggression oder Konzentrationsschwäche besonders extrem auftreten.

 

Frage 6: "Gibt es hoömopathische bzw. pflanzliche Mittel gegen ADHS-Symptome?"

 

Ob und bei welchen Menschen pflanzliche/hoömopathische Mittel bei ADHS-Symptomen wirken, das kann nicht pauschal gesagt werden. Jede und jeder muss für sich entscheiden, ob alternative Mittel zu medizinischen Medikamenten ausprobiert werden.

 

Um ein wirksames hoömopathisches Heilmittel finden zu können, ist in der Regel eine ganzheitliche Diagnose mit genauer Betrachtung von Symptomen und möglicher Ursache notwendig. Um sich über hoömopathische Medikamente beraten zu lassen, stehen Hoömopathen, Heilpraktiker, oder auch hoömopathisch ausgerichtete Fachapotheken als Ansprechpartner zur Verfügung.

 

"Hoömopathie versus Ritalin" wird auf der website "PraxisVita" von Dr. Heiner Frei (Kinderarzt, Homöopath) und Dr. von Ammon (Neurochirurg, Homöopath) dargestellt. Auf dieser website wird erklärt was Homöopathie bei ADHS bewirken kann.

 

Wissenschaftliche Studien beschäftigen sich darüberhinaus seit längerem mit der Wirksamkeit von Mikronährstoffen wie zum Beispiel von B-Vitaminen, Amino- oder Fettsäuren zur Behandlung von ADHS-Symptomen. Eine Publikation aus 2004 von den Autoren Dr. med. Hans-Günter Kugler und Dr. med. Anna-Maria Groß zu "ADHS und Mikronährstoffe", ist auf der Internetseite www.diagnostisches-centrum.de zu finden. Spezielle medizinische Labore können Hormon- und/oder Botenstoffmängel mit neurologischem Einfluss testen und dem Körper fehlende Nährstoffe analysieren. Es ist empfehlenswert, auch diese alternative Behandlungsmethode von einen spezialisierten Facharzt oder Heilpraktiker begleiten zu lassen. Weitere Informationen zu dieser Methode können Sie im Bereich Ursachen finden.

 

Frage 7: "Hilft eine Diät oder Nahrungsergänzungsmittel?"

 

Für AD(H)S-Verhalten gibt es diverse Ursachen. Manche Kinder scheinen tatsächlich auf bestimmte Nahrungsbestandteile zu reagieren. Besonders häufig wird Zucker, künstliche Farbstoffe, Milcheiweiß und Gluten im Zusammenhang mit hyperaktivem Verhalten, Lernschwierigkeiten und auch Autismus-Störungen in Verbindung gebracht. Allerdings gilt dies nicht pauschal. Die medizinische Leitlinien für ADHS (Kapitel 1.3.3) bestätigt, dass eine Diät in Einzelfällen hilfreich erscheint.

 

Buchtipp: Die gluten- und kaseinfreie Ernährung für Menschen mit Autismus, ADS/ADHS oder Allergien; Autorin Susanne Strasser. Quelle: www.autismus-diaet.at.

In diesem Buch ist eine medizinische Begründung von Kalle Reichert, M.D. vom Institut of Pediatric Research der Universität in Oslo enthalten.

 

Nahrungsergänzung durch Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren:
Es besteht außerdem die Annahme, dass eine ungenügende Zufuhr von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren die ADHS-Symptomatik begünstigen kann. Ein Mangel an Omega-3-Fettsäuren kann zu vermehrten Entzündungen im Körper führen, was sowohl psychische Auswirkungen, als auch Auwirkungen auf Haut (z.B. Neurodermitis) und Sehkraft haben kann.* Omega-3-Fettsäuren können z.B. durch den Verzehr von Leinöl oder Walnüssen aufgenommen werden. Auch Omega-6-Fettsäuren sind in vielen Ölen enthalten (z.B. Distelöl, Sojaöl, Olivenöl). Die Inhaltsstoffe EPA & DHA sollen zum Erhalt der Gehirnfunktion beitragen.


Die medizinische Leitlinie für ADHS (Kapitel 1.3.3.4) betrachtet auch diesen Ansatz, gibt aber keine Empfehlung zur Nahrungsergänzung mit Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, da die Wirksamkeit laut dieser Leitlinie nicht hinreichend belegt zu sein scheint. Zum Einfluss von Omega-3-Fettsäuren auf Konzentrations- und Lernfähigkeit liegen aber erfolgreiche Forschungsergebnisse vor, so dass ein Zusammenhang nicht abwegig erscheint. Zum Beispiel ist eine schwedische Forschergruppe an der Universität Göteborg im Jahr 2017 zu dem Ergebnis gekommen, dass Kinder mit leichten Aufmerksamkeitsdefiziten und leichten Lerndefiziten von einer regelmäßigen Einnahme an Omega-3-Fettsäuren profitieren - am stärksten Jungen.** Getestet wurden in dieser schwedischen Studie 154 Drittklässler (9 - 10 Jahre).

 

Eine weiteres Forschungsergebnis des Yale Child Study Center, Yale University School of Medicine, New Haven, CT 06520, USA kommt zu dem Ergebnis, dass eine regelmäßige Einnahme von Omega-3-Fettsäuren einen positiven Einfluss auf ADHS-Symptome haben und Omega-3 wegen seines guten Nebenwirkungsprofils gut in die ADHS-Therapie eingebunden werden kann. Quelle siehe: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21961774.

 

Eine achtwöchige Studie des Neurosciences Research Center, Kurdistan University of Medical Sciences, Sanandaj, Iran über die Wechselwirkung von Methylphenidat und Omega-3-Fettsäuren kommt zu dem Ergebnis, dass keine auffälligen Nebenwirkungen nach Gabe beider Substanzen zu erkennen waren. Quelle siehe: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31122010

 

Nahrungsergänzungsmittel bei emotionalem Ungleichgewicht oder Konzentrationsschwierigkeiten

Wirkstoffe wie u.a. Magensium, Vitamin B und Kurkuma können sich beruhigend auf Gehirnfunkionen auswirken. Nahrungsergänzungsmittel mit qualitativ hochwertigen Inhaltsstoffen können zur Stabilisierung von Gehirnaktivitäten unterstützend eingesetzt werden. Spezialisierte Ärzte, Heilpraktiker oder Ärzte für Naturheilverfahren können zu pflanzlichen Wirkstoffen gezielt beraten.

 

*Quelle: www.betanet.de/adhs-ernaehrung.html

**Quelle: Johnson, M., Fransson, G.,Östlund, S., Areskoug, B., & Giberg, C. (2017). Journal of Child Psychology and Psyhatry, 58(1), 83-93: onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/jcpp.12614

***Quelle: Fachkreis Information: Mehrfach ungesättige Fettsäuren und Lesefähigkeit bei Grundschülern - siehe anhängendes PDF

Omega-3-Fettsäuren und Lesefähigkeit
190507-FachkreisInfo-whiteOmega-kinderae[...]
PDF-Dokument [2.1 MB]

Frage 8: "An wen kann ich mich mit meinen Fragen wenden?"

 

Die Verhaltensschwierigkeiten werden für alle zu einer großen Belastung und Sie möchten das Thema Medikamente zumindest einmal besprechen? Sie wissen nicht an wen Sie sich wenden sollen?

 

Tipp: Wenden Sie sich für Ihre ersten Überlegungen an eine Person Ihres Vertrauens. Jemand der Ihr Kind und Sie gut kennt, kann die Situation am besten einschätzen und Ihnen helfen einen Facharzt zu finden.

 

Das kann z.B. sein:

  • Kinder- oder HausarztIn
  • ErgotherapeutIn
  • KlassenlehrerIn

Fachstellen für Diagnose und Beratung sind:

  • Kinder- und JugendpsychiaterIn
  • Kinder- und Jugendpsychologe/In
  • Diagnosezentren (z.B. SPZ)

 

Frage 9: "Welcher Arzt kann unsere Familie bei der Medikamentengabe verlässlich begleiten?"

 

Praxen für Kinder- und Jugendpsychiatrie sind nicht in jeder Region gleich weitverbreitet. Da in der Regel eine enge Zusammenarbeit über längere Zeit, möglicherweise über mehrere Jahre anstehen könnte, ist es gut, wenn man nicht nur auf Ortsnähe achtet, sondern von Beginn an auch viel Wert auf eine umfassende, engmaschige Beratung /Betreuung gelegt wird.

 

Medikamente zur Behandlung von ADS/ADHS-Symptomem sollten nicht ohne ausführliche Diagnose sowie regelmäßige Untersuchungen z.B. auf Wirkung, aber auch Nebenwirkungen (!), des Wachstums, des Blutdrucks und der Blutwerte verschrieben werden.

 

Frage 10: "Ist es sinnvoll die Medikation zwischendurch auszusetzen?"

 

Man kann das Medikament zwischendurch aussetzen. Dies sollte allerdings zusammen mit dem begleitenden Arzt entschieden werden. ADHS ist laut Aussage von Herrn Klaus Skrodzki in einem Interview mit t-online.de "Ritalin nicht einfach absetzen" eine zu 80 Prozent genetische Störung, die in ihrer Ausprägung von vielen Faktoren abhängig ist.

 

Durch die Medikamente kann laut Herrn Skrodzki (stellvertretender Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft ADHS beim Verband der Kinder- und Jugendärzte) ein AD(H)S-Kind in die Lage versetzt werden, seine Fähigkeiten besser einzusetzen und länger und konzentrierter mitzuarbeiten und damit auch Erfolge zu haben. "Aber Kinder lernen nicht nur in der Schule, sondern auch im Alltag. Soziales, aufmerksames Verhalten brauchen diese Kinder natürlich auch in der schulfreien Zeit." Manche Kinder schaffen den Alltag außerhalb der Schule auch ohne Medikamente gut, für manche kann das Medikament eine wichtige Unterstützung auch bei der Bewältigung von außerschulischen Anforderungen sein.

 

Mindestens einmal im Jahr eine Medikamentenpause einzulegen (sinnvoll am Wochenende oder in den Ferien), um feststellen zu können, ob das Kind mittlerweile ohne das Medikament die Alltagssituationen bewältigen kann, wird von Ärzten und Psychologen empfohlen.

 

Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Kind, das für eine Zeit eine Medikamentenpause einlegt, in diesem Zeitraum deutlich mehr Appetit hat, besser schläft und körperlich wachsen kann.

 

Frage 11: "Was kann ich als Familie noch tun, um meinem Kind zu helfen?"

 

Alleine auf Medikamente zu setzen, hilft dem Kind auf lange Sicht nicht. Medikamente können in vielen Fällen zwar Symptome lindern, aber weder Ursachen beheben noch Probleme lösen. Um das Kind und die Familie im Umgang mit den ADHS-Symptomen wirklich zu stärken, haben sich aufgrund der Erfahrung betroffener Eltern über die Selbsthilfeangebote von familie-mit-adhs

  • ergänzende pädagogische,
  • soziale und psychotherapeutische Maßnahmen,
  • Lernförderung (bei Dyskalkulie, LRS, ADHS),
  • Gewichtstherapie (z.B. Gewichtsweste oder -decke)
  • und vor allem eine empathische, systemische Elternberatung als hilfreich und wichtig erwiesen.

 

Frage 12: "Was muss ich vor einer Reise ins Ausland beachten?"

 

Medikamente bei AD(H)S wie z.B. Methylphenidat gelten als verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel (BtMG). Diese Substanzen dürfen nicht einfach so mitgenommen werden, da sie unter das Betäubungsmittelgesetz fallen.

 

Sowohl bei einer Reise ins europäische als auch außereuropäische Ausland muss eine, durch das Gesundheitsamt beglaubigte, aktuelle ärztliche Bescheinigung mitgeführt werden. Dafür benötigt das Gesundheitsamt eine Kopie des letzten Rezeptes und eine Bescheinigung des verschreibenen Arztes/Psychiater. Es ist empfehlenswert den Arzt frühzeitig auf die Bescheinigung anzusprechen und einen Termin im Gesundheitsamt zu vereinbaren. Die Beglaubigung des Gesundheitsamtes ist gegen geringe Gebühr erhältlich.

Schlechtes Gewissen?

 

Sie haben trotz reiflicher Überlegungen, unter Betrachtung aller notwendigen Diagnosen, und trotz des hohen Leidensdrucks ein schlechtes Gewissen, dass Sie Ihrem Kind ein Medikament zur Verringerung der ausgeprägten AD(H)S-Verhaltensweisen geben?

Oder Ihr Kind verweigert von sich aus die Medikamenteneinnahme?

 

Ihre Entscheidung immer mal wieder zu überprüfen und zu hinterfragen, ist sicherlich sinnvoll.

 

Dabei können bestimmt auch die behandelnden Therapeuten eingebunden werden. Aber ein stark ausgeprägtes schlechtes Gewissen hilft bei einer gut begründeten Medikation am Ende niemanden weiter.

 

Im Rahmen der Selbsthilfegruppe für ADHS-betroffene Eltern hat eine Mutter ein wirklich gutes Bild eingebracht. Dies darf ich an dieser Stelle teilen:

 

"Das Gehirn bei einem Kind mit ADS/ADHS ist wie ein Auto, dass auf einer mehrspurigen Straße mit vielen Abzweigungen und zwischen sehr viel Verkehr unterwegs ist. Das Kind ist der Autofahrer, der mit dem Verkehr, den Geräuschen, den vielen Straßenschildern und der komplexen Streckenführung völlig überfordert ist. Das Medikament (z.B. Ritalin) ist wie ein Navigationssystem, dass hilft dem Hirn eine Richtung vorzugeben und damit zu mehr Struktur und Übersicht verhilft."

Tipp: Podcast zu Medikamente bei AD(H)S

 

Hier geht es zu einem empfehlenswerten Podcast der Mutter eines ADHS-Kindes, Buchautorin und Elternberaterin Anna Maria Sanders zum Thema "Medikamente für mein Kind mit AD(H)S - das Thema das Eltern am meisten Angst macht".

 

Dies ist ein externer Link auf www.adhshilfe.net:

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